Klimakrise: Neuseeland will eine Milliarde Bäume pflanzen

30. März 2020

Klimakrise: Neuseeland will eine Milliarde Bäume pflanzen

Bereits 2018 erklärte die neuseeländische Regierung, in den nächsten zehn Jahren eine Milliarde Bäume pflanzen zu wollen. Die Selbstverpflichtung ist Teil des Zero-Carbon-Bill, mit dem Neuseeland bis 2050 kein Kohlendioxid mehr ausstoßen will. Im Pariser Klima-Abkommen hat sich Neuseeland außerdem verpflichtet, bis 2030 seinen CO2-Ausstoß um 30 Prozent unter das Niveau von 2005 zu senken.

Neuseeland hat zwar keine Kohlekraftwerke, fördert kein Öl und verbraucht im Weltvergleich relativ wenige fossile Brennstoffe – hat aber viele Landflächen, die von einer „Reforestation“ profitieren würden. Das Baumprogramm könnte einen wesentlichen Teil seiner Zero-Carbon-Selbstverpflichtung übernehmen. Mit den vielen neuen Bäumen sollen etwa 750 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre gezogen werden.

Im vergangenen Jahr wurden bereits 110 Millionen Bäume gepflanzt, weitere 83 Millionen sollen bis Ende 2019 in die Erde kommen. 6,5 Millionen Setzlinge hat die Regierung im ersten Jahr direkt finanziert.

Kann das Programm ausreichen, hat es Aussicht auf Erfolg – und wer wird davon profitieren?

Wozu braucht Neuseeland mehr Bäume?

Bäume sind wichtig, weil sie Kohlendioxid aus der Luft holen und es in Holz verwandeln, wo es als Kohlenstoff über hunderte Jahre gespeichert bleiben kann. Daneben schützen und erneuern Bäume den Boden, verhindern Erosion, verbessern die Wasserqualität und bieten Lebensraum für unzählige bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Bäume können in Zukunft auch in anderer Hinsicht wirtschaftlich nützlich sein: Als Teil eines nachhaltigen Wirtschaftssystems werden sie Öl als Rohstoff ersetzen. Die klassische Radiata-Pinie, die in Neuseeland massenhaft angepflanzt wurde, eignet sich wegen ihrer langen Fasern hervorragend zur Produktion von Bio-Materialien, die Plastik ersetzen. Aus Pinienfasern könnten sogar Maschinenteile entstehen.

Auch Gebäude werden zunehmend wieder aus Holz gebaut. Beton ist nicht nur ein klimaschädlicher und nicht nachhaltiger Werkstoff, er benötigt auch viel zu viel Sand bei der Herstellung – und der wird weltweit bereits jetzt knapp und immer teurer.

2018 gründete das Wirtschaftsministerium MPI daher eine eigene Abteilung für das „Billion-Tree Programme“. Te Uru Rakau Forestry soll zunächst einen Plan entwickeln, wie das Anpflanzen der Bäume organisiert werden kann, und welche Anreize am effektivsten sind.

Eine Milliarde Bäume in zehn Jahren – kann das klappen?

Zuerst die gute Nachricht: Es hat schon einmal geklappt. In den 1990er-Jahren wurden in Neuseeland mehr als eine Milliarde Bäume gepflanzt. Davon profitierte vor allem die Holzwirtschaft.

Die Hälfte der anvisierten Zahl, also 500 Millionen Bäume bzw. 50 Millionen Bäume pro Jahr, entspricht etwa der aktuellen Rate der Neu-Anpflanzungen in der Holzindustrie – darum kümmert man sich sozusagen schon. Für die weiteren 50 Millionen Bäume pro Jahr, die zusätzlich angepflanzt werden müssen, sind 50 000 Hektar Land pro Jahr nötig. Bisher werden in Neuseeland auf etwa 1,7 Millionen Hektar kommerziell Bäume gepflanzt (und geerntet).

Auf der Website des MPI zählt eine Uhr aufwärts: Sie vermerkt bereits 10 Millionen neu gepflanzte Bäume, 13 Prozent von ihnen von einheimischen Arten. Insgesamt sollen mindestens 20 Prozent der neuen Bäume einheimischen Arten angehören. Eine der Arten, die von dem Programm profitieren dürfte, ist der Manuka-Strauch – er hat in Neuseeland als Lieferant hochwertigen Honigs bereits große wirtschaftliche Bedeutung.

Die vielen wirtschaftlichen Vorteile von Holz können Neuseeland mit seinen vielen neuen Bäumen für die Zukunft eine sichere industrielle Basis geben. Die Holzwirtschaft würde neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen, die regionale Entwicklung beflügeln und neue Arbeitsplätze schaffen.

Für die großen Holzfirmen sind die Preise im CO2-Emissionshandel noch zu niedrig, als dass sie damit die hohen Landpreise ausgleichen könnten. Die „big player” werden vorerst also nicht am “billion-trees programme” teilnehmen, weil es sich für sie nicht lohnt, neues Land zuzukaufen.

200 NZD pro Tonne Kohlendioxid würden einen enormen Anreiz bedeuten. Derzeit liegt der Preis aber erst bei 20 NZD/Tonne, und er ist bei 25 NZD gedeckelt.

Private Farmer, Maori-Stämme und die Gemeinden haben bereits viel Land; für sie könnte das Anpflanzen neuer Bäume daher sinnvoll sein. Vor allem die Maori hatten in der Vergangenheit kaum Geld für Holzwirtschaft. Auf ihrem Land wächst derzeit besonders viel ursprünglicher Wald mit hoher Artenvielfalt. Der sollte um Himmels willen nicht abgeholzt und für Neu-Anpflanzungen genutzt werden.

Die Farmer Neuseelands tun sich aus anderen Gründen schwer damit, ihr Weideland in Wald zu verwandeln. Für viele bedeutet es einen Rückschritt – Neuseelands Kultur basiert auf den Pionieren, die den dichten einheimischen Wald für Ackerbau und Viehzucht urbar machten. Mit der Rückkehr des Waldes könnten kleinere Orte auf dem Land ihre Existenzgrundlage verlieren und zu Geisterstädten werden.

Das MPI muss viel Überzeugungsarbeit leisten. Farmen könnten zum Beispiel mit der Bereitstellung von Wald-Land Emissionszertifikate für ihre Farm erwerben und sie damit klimaneutral stellen. Wenn nur 50 Farmer jedes Jahr jeweils 1000 Hektar Wald neu anpflanzen, oder 500 Farmer kleinere 100-Hektar-Flächen, dann genügt das schon.

Eine Milliarde Bäume für ein raubtierfreies Neuseeland

Das “Billion-Tree Programme” hat noch einen weiteren wichtigen Nutzen: Es dürfte hervorragend mit dem für 2050 anvisierten Ziel eines „predator-free New Zealand“ zusammenarbeiten. Das Kontrollieren und Jagen von Hasen, Rehen und Possums, die junge Bäume zu vernichten drohen, kann in der Holzwirtschaft die schwankende Nachfrage nach Jobs ausgleichen.

In den 1990er-Jahren wurden in Neuseeland riesige Gebiete mit Monokulturen aus Pinien besetzt. Das war aus nachhaltigen Gesichtspunkten und für den Artenschutz nicht sinnvoll. Auch vor Erdrutschen nach Starkregen konnten die Radiata-Pinien das Land nicht schützen.

Durch den damaligen Pflanz-Boom ist außerdem eine „Holz-Blase“ entstanden. In den nächsten fünf Jahren werden bis zu 40 Millionen Tonnen Holz geerntet, was zu stark sinkenden Preisen führen wird. Danach fällt diese Holzquelle aber weg, was zu einem Zusammenbruch des Marktes führen könnte.

Das neue Baumpflanz-Programm muss streng darauf achten, dass die richtigen Baum-Arten auf die richtigen Landformationen gepflanzt werden. Das MPI spricht hier von “designed forests”, die gezielt zur Holzgewinnung, aber auch zum Arten- und Landschutz genutzt werden sollen.

Alles in allem hat Neuseeland einen großen Berg Arbeit vor sich – aber das Ziel, bis 2050 eine Milliarde Bäume zu pflanzen und damit dem Klimawandel etwas entgegenzustellen, ist durchaus realistisch und sinnvoll.

Wer das ehrgeizige Programm bei einer Neuseeland-Reise unterstützen will, der kann selbst einen Baum pflanzen. Die Organisation „Trees that count“ hat seit 2016 bereits mehr als 300 000 einheimische Bäume finanziert, die von Freiwilligen gepflanzt wurden. Tatkräftige Unterstützung oder Spenden kann sie jederzeit gebrauchen.

(Jenny Menzel)